Spalten statt versöhnen: Nach diesem bewährten Motto verfährt ein Oberhirte, von dem man es nicht erwartet hätte. Ich saß einst neben ihm in lauschiger Runde, hörte ihn reden und scherzen und lachen und fühlte mich nicht unwohl. Gebhard Fürst, Bischof in Rottenburg, schien mir ein Mann, der auf bodenständige Weise fromm ist, ausgestattet mit einem sympathischen Grenzenbewusstsein. Da habe ich mich getäuscht.

Stutzig machte mich Anfang des Jahres sein Buch mit dem hochwahrscheinlich ernstgemeinten Titel „Für eine bewohnbare Kirche. Perspektiven einer menschennahen Pastoral.“ Der Autor skizzierte darin eine Kirche, vermutlich die römisch-katholische, die bewohnbar zu machen sei durch seine, durch Fürstens Ratschläge, die es also offenbar momentan, in der prägebhardischen Ära Benedikts XVI. noch nicht ist.

Damit man endlich wohnen können in der aktuell weitgehend entvölkerten, da unwohnlichen römischen Kirche, schlug Fürst vor: Man solle Eucharistie verstehen als Einweisung „in den Weg Jesu Christi mit und zu den Menschen.“ Die „Christinnen und Christen“ sollten darum „in der Nachfolge Jesu (…) als Gemeinde und Kirche in seine Fußstapfen treten und zu ‚Tätern und Täterinnen des Wortes‘ werden.“ Maßstab sei der „Lebensstil“ Jesu, gerade nun in der „schweren Glaubwürdigkeits- und Vertrauenskrise, wie sie die katholische Kirche seit Menschengedenken nicht erlebt hat“.

Historisches Denken können wir eher nicht der Fürstschen Kernkompetenz zurechnen. „Seit Menschengedenken“, meint der gedächtnisschwache Schwabe, seit Jahrhunderten demnach soll es in der katholischen Kirche keine schlimmere Krise gegeben habe als die von interessierter Seite aufgeblähte Vertrauenskrise von 2010? Das möge man bitte den Historikern subito mitteilen, die töricht genug sind, sich noch immer am Schisma von 1054, an der Reformation, am Dreißigjährigen Krieg abzuarbeiten: allesamt Petitessen, weiß der schwäbische Schlaue.

Dass jede Epoche defekt sei gegen die Gegenwart und fast alles Mist außer Deutschland, führte Fürst nun in den Redaktionsräumen der „Ludwigsburger Kreiszeitung“ gekonnt aus. In seinem von massiver Kirchenflucht gebeutelten Bistum gibt es derzeit einen jungen Mann, der sich auf die Priesterweihe 2012 vorbereitet. Offenbar ist das genau einer zuviel, denn Fürst teilt dem jungen Mann laut Zeitung mit: Weibliche Priester seien in „fortschrittlichen Ländern, wie Deutschland oder den USA (…) denkbar“, wenn auch „vorerst nicht“.

Der arme Tropf muss sich also anhören lassen, sein Entschluss zur priesterlichen Lebensweise sei ein Steinzeitreflex, Überbleibsel eines nicht so „fortschrittlichen“ Denkens, er sei kindisch aus der Zeit gefallen. „Fortschritt“ hingegen besteht im Fürstschen Weltbild darin, die endgültige dogmatische Entscheidung von Papst Johannes Paul II. – ulkigerweise desselben Papstes, der Fürst auf den viel zu großen Bischofsstuhl von Rottenburg-Stuttgart hievte – lächelnd zu missachten.

„Fortschritt“ á la Fürst heißt, der Kirche theologisch eine Nase zu drehen, ihre Alimente aber anzunehmen, heißt den Papst zum Grüßaugust zu verzwergen und sich selbst, dem Provinzhirten, den Lorbeerkranz der Weltklugheit aufzusetzen.

Fürst führt offenbar nicht nur mit der Muttersprache, sondern auch mit Mutter Kirche einen possierlichen Kleinkrieg. Ich darf nicht? Darf ich doch, ätschi-bätschi: So löckt der oberste Verwalter einer serbelnden Diözese gegen die Weltkirche, die alles in allem wächst und gedeiht, so gießt er Häme auf all jene Länder, in denen der Glauben blüht und die sich nun als gestrig beschimpft sehen.

Gebhard, Gebhard, magst Du Dich nicht befreien von der Kirche, die Dir solche Pein verursacht? Dann müsstest Du auch nicht länger jene Gläubigen, denen wie Pontifex Benedikt die klassische lateinische Messe am Herzen liegt, als „oftmals fundamentalistisch“ verunglimpfen. Warst Du Dir, in der gemütlichen Ludwigsburger Redaktionsstube, bewusst, dass Du damit auch Benedikt XVI. zum Fundamentalisten stempelst?

Ein Bischof, der die Gläubigen anderer Länder für rückschrittlich erklärt, den Papst einen Fundamentalisten schimpft und die eigenen geistlichen Wüsteneien zur Oase umbiegt, bleibt natürlich Bischof. Aber er ist es nicht länger.