Der „Dominica Pentecostes“ liegt im Fadenkreuz gar vieler Missverständnisse: Pfingsten, wie bitte? Ein schöner Auftakt in den Sommer ist das doch, ein verlängertes Wochenende, und sonst? Das Hochfest leidet massiv an seiner Unhandlichkeit. Vordergründig sperrt es sich gegen die Übersetzung. Wie malt man nur ein Brausen, wie wendet man „Zungen wie von Feuer“ ins Gegenwärtige, was soll ein „Heiliger Geist“ bedeuten?

Die Schwierigkeiten mit Pfingsten liegen aber auch und vermutlich vor allem daran, dass alles Geistige, das sich jenseits der Spirituosenabteilung in den Supermärkten vollzieht, ruiniert scheint. Es ist nicht wie weiland noch bei Goethe ein präzise zu fassender, ein ganz besonderer, ein eben teuflischer „Geist, der stets verneint“. Nein: Es ist der Geist an sich und überhaupt, der als das Anti-Prinzip schlechthin gilt.

Wer den Geist – sei es den menschlichen, sei es den schöpferischen – ehren will, gilt als Verneiner, als Spaßverderber. Von der Materie, heißt es dann, leben wir schließlich, Materie sind wir, sie ist für Luxus, Laune, Laster zuständig, für Sofortvergnügungen und Totalerlebnisse, für den Kick und den Kitzel, das Risiko und die Rendite.

Gerade darum wäre heute mehr Geist vonnöten – Geist als Moment der Besinnung und Verlangsamung, des Gedankens und Gedenkens, der Zurücknahme jenes fatalen Menschentyps, der machen und modeln will und darüber die Richtung seiner Projekte vergisst. Der ewige Betrieb, den unser Werkeln veranstaltet, ohne Werke zu hinterlassen, ist nicht nur ein geistloses, sondern oft auch ein geisttötendes Unterfangen. Wo alles Leben auf Ziffer und Zahl reduziert wird, verkümmert das Sein und flieht jener inspirierende Funke, der den Menschen erst die Krone der Schöpfung zurecht tragen lässt.

Diesen Zusammenhang hat schon vor rund 70 Jahren der Schriftsteller Rudolf Borchardt erkannt. Der reformierte Christ mit jüdischen Wurzeln bekannte sich emphatisch zur „zweiten Epiphanie nach der weihnachtlichen“, zum „revolutionären Wiederausbrechen der ins Irdische eingeflößten Sprengwirkung“, zum „heiligen Contagium“.

Und er benannte präzise den Preis für dessen Vernachlässigung: „Pfingsten, Vorform des Gottesreichs und der Gemeinschaft der Kinder Gottes, enthält die Kirche ganz und selber und sollte das höchste Fest überhaupt der Seelenhaften sein – wie es das vernachlässigste der Entseelten und Abgeplatteten allerdings geworden ist.“

So auch 2011: Wer die Seele retten will, muss zuerst den Geist rehabilitieren.