Arme Tine, da hat man Dir übel mitgespielt! Jahrein, jahraus rackerst Du Dich ab zum Ruhme von RTL, zum Segen der Werbewirtschaft und zum Vorteil notorisch klammer und chronisch farbenblinder Hausbesitzer. Deine Helfersendung „Einsatz in vier Wänden“ ging 2003 an den Start, und wer könnte die Zähren zählen, die seitdem geflossen sind?

Du enterst mit ganz viel Farbe und noch mehr gute Laune eine handelsübliche Bruchbude und verlässt sie erst wieder, wenn sie Schloss ist. Du lässt hämmern, bohren und tünchen und gibst nicht Ruhe, bis um Dich herum alles Sonnenschein geworden ist, gerade so wie Du. Tine Wittler, Du bist die Quietschkugel unter den Wohnexpertinnen, das Glücksmoppelchen der Moderatoren, der ewige Wonnemonat.

Und nun das: Dein nigelnagelneues Format wurde ausgerechnet im Mai nach nur einer Sendung vom Sender genommen – wegen erwiesener Schummelei. „Unter dem Hammer“ sollte die angeblich wahre Geschichte eines angeblich echten Hausnotverkaufs nacherzählen. Dein Part, liebe Tine, war abermals jener der pumperlg‘sunden Aufhübscherin.

Du betratest das große, aber nicht übermäßig gepflegte Anwesen der Familie Fischbach im schönen St. Goarshausen. Selbige rechnet, wie es eben Sitte ist im deutschen Privatfernsehen, der eher bildungsfernen Schicht zu. Bei den Fischbachs trinkt man den Gerstensaft aus der Flasche, spricht gerne dem Tabak zu und kleidet sich in Stoffe, in die man jederzeit noch hineinwachsen kann. Tine, Du sahst das Elend gleich, und wusstest, was zu tun ist: neue Vorhänge, neue Farben, neue Türen. Der Lohn all der Mühen war die finale Versteigerung. Immerhin 235.000 Euro wurden erlöst, notariell beglaubigt laut RTL. Hoch die Tassen, Abspann.

Dem war aber in der außertelevisionären Welt dann doch nicht so. Der Käufer machte nach Drehschluss einen Rückzieher, der Vertragsabschluss kam gar nicht zustanden, vom Notar fehlt jede Spur. Die strahlende Käuferin, die im Fernsehen auftrat, war eine Statistin. Die Fischbachs erhielten von RTL rund 2000 Euro Aufwandsentschädigung, einen kleinen Beitrag zur Abtragung des Schuldenberges, der sie weiterhin drückt. Mittels Video bei „bild.de“ bieten sie das Schmuckstück jetzt feil. Tine Wittler beteuert, von alldem nichts gewusst zu haben. Sie selbst sei die Betrogene.

Das Fernsehen dieser Tage besteht an sehr vielen Stellen aus der sentimentalen Zurschaustellung von Not- und Elendssituationen, in die das Fernsehen triumphal einfällt, sie zu richten und zu heilen. Das Fernsehen ist ein gigantisches Reparaturunternehmen der Seelen, der Körper, der Häuser, natürlich ohne jede Nachhaltigkeit, ohne jede Empathie, die über den Effekt hinausginge.

„Unter dem Hammer“ hat deutlich gemacht, dass dabei der Spannungsbogen alles ist, das tatsächlich vorgefundene Leben (fast) nichts. Dieselben Gesetze gelten auch für die meisten Erzählungen aus der realen Welt, die sich Nachrichten nennen oder Reportagen oder Porträts. Wundern ist da fehl am Platze: Unter dem Fernsehhammer liegt immer auch die Wirklichkeit. Sie überlebt nur gequetscht, gestaucht, entstellt. Tine, hab Dank für diese Lektion.

(Die Kolumne erschien erstmals im Vatican Magazin 6+7/2010)