Gerne wüsste man, wann sie zuerst das stolze Gesicht erhob, die „Power-Frau“. Wann stand das erste Mal bewundernd zu lesen, diese Power-Frau schlafe nie, sie verhandele knallhart, die Firma sei dank ihrer über den Berg, die Partei gerettet, der Verein gesundet? Die Power-Frau ist die Frau ziemlich weit oben, in einem großen Büro, das vor ihr nur Männer besaßen. Die Power-Frau hat Macht und Einfluss, Ehrgeiz und Wille, vor allem aber sehr viel Erfolg. Sie hat eine Bastion geschleift.

Die Freude darüber ist verständlich und sei ihr von Herzen gegönnt. Ewig unentscheidbar ist die Debatte, ob Männer oder Frauen prinzipiell besser führen, ob Geschäftsführer oder Chefin für die Untergebenen der größere Segen sind. Und wer ist nicht schon alles Power-Frau gewesen: Natürlich Silvana Koch-Mehrin, die FDP-Frau in Brüssel, Carly Fiorina und Meg Whitman, die ehemaligen Chefinnen von Hewlett-Packard und Ebay, Sarah Palin, Hillary Clinton und Lisa Fitz, neuerdings auch das rot-grüne Führungsduo in Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann.

Was gemeint sein soll, ist klar. Diese Frauen haben Kraft, sie haben und sie sind eben die pure Power, die reine Energie, die Macht ohne schlechtes Gewissen. Sie zeigen einer machtverwöhnten Männerelite, dass Y-Chromosom und Durchsetzungsvermögen nicht zwingend zueinander gehören. Wir können das auch, lautet die Botschaft des Kunstworts, rücksichtslos sein und schlau, Ellenbogen haben und Grips zugleich. Wir sind die Hälfte der Menschheit, und jetzt wollen wir auch die Hälfte der Power.

Tatsächlich gemeint ist indes etwas anderes, und darum hat die Rede von der Power-Frau oft einen unehrlichen Zungenschlag. Sie besagt, dass öffentlich nur gerühmt und gelobt werden soll, was mit den Insignien der Härte und der Stärke ausgestattet ist.

Da mögen unfähige, aber durchsetzungsfähige Politiker die Republik noch so dicht an den Abgrund geführt haben, da mögen ungehobelte, aber machtbewusste Manager noch so zäh auf dem Sessel ihres untergehenden Firmenschiffs geklebt haben: Nicht Klugheit oder Kompetenz will man an den nachrückenden Frauen loben, sondern das Plumpste überhaupt, das nackte Faktum, dass nun sie die Macht in Händen halten: Einer kam durch, japsend wie alle, und siehe, es ist eine Frau.

Die Power-Frau ist, nimmt man den Namen ernst, dasselbe noch einmal, ein Häkchen hinter dem alten Trott. Denn ob die Power nun mit der Frau oder mit dem Manne ist: Kraft ist ungerichtete Energie, nichts sonst. Auf die Richtung aber kommt es an.