Die Kallwass, die Filzlaus und ich
Erwischt: Ich bin „eine Wand“. Ich habe eine „narzisstische Persönlichkeit“. Ich bestehe aus Vorurteilen. Ich höre nicht zu. Ich lasse mich nicht ein. Ich bin nicht interessiert. Das alles erfuhr ich in wenigen Sekunden während einer Podiumsdiskussion in Augsburg vor 300 Zuhörern.
Die Durchschauerin, der ich nie zuvor begegnet bin, hörte auf den Namen Angelika Kallwass und ist eine bekannte Schauspielerin. Studiert hat sie Volkswirtschaft und Psychologie, bekannt aber ist sie als Laienspielerin vom Dienst. Bei „Sat.1.“ spielt sie im Dauerbrenner „Zwei bei Kallwass“ eine Psychologin.
In erfundenen Szenen, die sich fast immer an misslungenen Sexualkontakten entzünden, im Schreien beginnen und ins allgemeine Heulen münden, sagt sie zu Laienspielern, die Patienten mimen: „Der einzige, der weiß, dass Sie mit Maya geschlafen haben, sind Sie zur Zeit.“ „Da sollten Sie offen sein.“ „Damit müssen Sie jetzt einfach aufräumen.“ „Sie sind sehr aufgeregt, verständlicherweise, wäre ich an Ihrer Stelle auch.“ „Sie haben jetzt einmal einen besonders guten Sex gehabt, und verständlicherweise wollen Sie den weiter behalten.“
Das mag sehen, wer mag; das ist weder empfehlenswert noch verbotswürdig. Laut Senderwerbung ist die Psychologinnendarstellerin Kallwass die Frau, die alles kann. Sie „löst Probleme und findet immer einen Weg.“ In dieser Woche etwa war es ein Problem, dass Filzläuse sich nur beim Geschlechtsverkehr übertragen und deshalb die Jenny den Stefan betrogen haben muss (Folge vom 24.9. um 14 Uhr).
Oder dass die schwangere Sandra „wieder anschaffen gegangen ist“ und deshalb der Gino sich von ihr trennte (am 24.9. um 10 Uhr). Oder dass der Aaron seine Schwägerin Maya schwängerte, die sich nun von ihrem Mann Clemens trennen will, der sie wiederum mit ihrer Schwester betrog (am 21.9. um 14 Uhr).
All das und den übrigen phantasielosen Stumpfsinn rechnete Frau Kallwass bei der Augsburger Podiumsdiskussion einer friedensnobelpreisverdächtigen „bestimmten Umgangskultur, einer Streitkultur, einer Diskussionskultur“ zu. Sie wolle, ganz therapeutisch, „durch Einsicht zur Veränderung“ bewegen. Und als die menschliche Wand, als also ich, das Gegenteil öffentlich aussprach, wurde ich vor Publikum kurzerhand verarztet, gemaßregelt, zurechtgewiesen – als säße mir eine Domina mit Begriffspeitsche gegenüber. Nicht die schrundigen Schreiorgien seien zynisch, sondern deren Kritiker sei es, der rohe Narzisst.
Was lernen wir? Das psychologisierende Gequatsche, das mit Befunden um sich wirft, ist anfällig für Einbildungen aller Art. Wer einmal die Wonnen der öffentlichen Macht kostete, mag von ihr nicht lassen. Und wer laut Drehbuch für alles Verständnis hat, alles durchschaut, alles richtig sieht und alles gerade rückt, wird im Zweifel persönlich, wenn die Allmacht sich nicht so spreizen darf, wie sie es gewohnt ist.
Als professioneller „Zwei bei Kallwass“-Glotzer habe ich dafür vollstes Verständnis. Es kann ja keine Freude sein, 2000 Folgen lang, zweimal täglich, dem Unterleib im Unterholz nachzujagen. Da gilt die Einsicht der schwangeren Maya: „Mein Bauch, mein Herz, ich fühle das. Ich kann nicht mehr.“
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