Zu den beliebten Gemeinplätzen, an denen wir alle uns gerne tummeln, zählt jener von der Beliebigkeit der Literatur. Man könne doch schreiben, was man will, das rege niemanden auf. Früher stritt man über den Geschmack, weil man ihn besaß, heute fehle er ganz, weshalb das Achselzucken regiert. Und ganz besonders die Lyrik, die eh‘ von fast niemandem gelesen werde, sei die Feier des bloß Subjektiven, unteilbar Intimen. Falsch gedacht, dreimal falsch.

Nicht jeder mag die „Münchner Turmschreiber“ kennen. Dem Literatenzirkel gehören etwa Friedrich Ani, Tanja Kinkel, Georg Lohmeier, Petra Morsbach, Konstantin Wecker an – und Helmut Zöpfl nicht mehr. Darüber ist nun ein Streit entstanden, der Spalte um Spalte der lokalen Leserbriefseiten füllt. Zöpfl nämlich hat eine große Fangemeinde, wie sie sich die Nachgeborenen erst noch erschreiben müssen. Zöpfl, ehedem Pädagogikprofessor, steht für das humorvolle volkstümliche Gedicht, ein Reich, in dem Paar- und Kreuzreim nicht untergehen: „Freunde kannst du nicht kaufen für noch so viel Geld, / einen Freund musst du suchen wie nichts auf der Welt.“

Helmut Zöpfl also, dessen Bücher Titel tragen wie „Zum G’sundlachen“, „Das kleine Glück“, „Komm, lach halt wieder“, wurde aus dem Kreis der „Turmschreiber“ verbannt. Von Streit ist die Rede, mangelnden Umgangsformen, alten Zöpfen und manchem mehr. Seine Leser sind rechtschaffen außer sich: Zöpfl sei „einer der beliebtesten und vor allem erfolgreichsten Poeten“, habe sich „in hohem Maße“ um die bairische Sprache verdient gemacht. Man sei „schockiert“, „bestürzt“, „empört“. Die neuen Wortführer hätten sich eher verabschieden sollen, zuvörderst der als Antipode ausgemachte Lyriker Anton G. Leitner, von dem etwa die Zeilen stammen: „Bumm tschumm bumm Bumm tschumm bumm Dumm“.

Wie alles Grundsätzliche ist der „Turmschreiber“-Streit eine Stilfrage. Und wie bei jede Stilfrage konfligieren die Temperamente, die Weltanschauungen, die Eitelkeiten, dass es eine Art ist. Hier der reimende Seelenmasseur, dort die Lautmaler und Neutöner, hier das bodenständige Idyll, dort Avantgarde und Provinz. Beides findet in den Ton, beides will klingen.

Und darum ist dieser Streit ein Hoffnungszeichen in einem Land, das sich abzuschaffen partout nicht gesonnen ist: Wo die Volksseele kocht, weil sie Volkskunst will, da ist das Volk sehr lebendig. Wir werden noch davon hören.