Es gibt Sätze, die treffen dich ins Mark. Oder ins Herz. Und andere lassen dich ratlos zurück. Und je länger du darüber nachdenkst, desto ratloser wirst du. Ein solcher Satz ist: „Von oben sah Deutschland aus, als hätte jemand einen Mülleimer ausgekippt.“ Die Perspektive dessen, der zu diesem Vergleich greift, ist benennbar. Ein Blick aus dem Flugzeug beim Anflug auf Hamburg verleitet zur trashigen Assoziation. Doch was enthielt wohl der Mülleimer, dessen Inhalt sich auf Deutschland ergossen haben soll? Welche Reste, welcher Abfall, welcher Dreck gibt Deutschland sein sublunares Gepräge? Von oben schaut hier kein Vogel und natürlich kein Gott, sondern ein Fotograf namens Niels Ketelsen. Er ist eine Hauptfigur im Roman „Der Schrei der Hyänen“, geschrieben von Robert Habeck. Und damit werden die Dinge heikler.

Aus einem Eimer wird ein Mülleimer, weil und sofern er Müll enthält, also Weggeworfenes, Unbrauchbares, Ungenießbares, Unverwertbares. Werden auf Autobahnraststätten oder Autobahnabfahrten Mülleimer entleert, ist das kein schöner Anblick und eine Ordnungswidrigkeit obendrein. Deutschland müsste eine amtlich zugelassene Abfallbeseitigungsanlage sein, damit sich Müll legal über ihm entleeren ließe. Die Republik: eine einzige Deponie, stinkend und hässlich und ungeordnet. Niels Ketelsen denkt offenbar in solchen Kategorien, als er „zurück nach Deutschland“ kehrt. „Vor über dreißig Jahren hatte er Deutschland verlassen. Damals hatte er geglaubt, Afrika würde sein größtes Abenteuer werden, Wildheit und Freiheit würden sich zusammenschließen zum Sinn des Lebens. Aber genau das Gegenteil war passiert.“ Was glaubt Robert Habeck?

Den „Schrei der Hyänen“ schrieb der heutige Co-Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen gemeinsam mit seiner Ehefrau Andrea Paluch 2004. Er war damals 35 Jahre alt, und es war nicht ihr erster Roman. Zuvor war „Hauke Haiens Tod“ erschienen, ein „historischer Roman“ und Krimi. Folgen sollten unter anderem „Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf“, „Zwei Wege in den Sommer“, „Zwischen den Jahren“ nebst mehreren Jugendbüchern. Wie stets gilt auch hier: Gemeinschaftswerke können nicht auseinander dividiert werden auf die Anteile des einen schreibenden Teils, und Figurenreden, Figurengedanken sind nicht mit den Redeweisen und Ansichten der Autoren gleichzusetzen. Doch Deutschland als Mülleimer: Das war Teil des Gedankenhaushalts von Robert Habeck gewesen. Und ist es noch heute?

Der Roman erzählt die Geschichte mehrerer Generationen zwischen 1894 und Gegenwart, in der Afrika und Deutschland ineinander verwoben und gerichtet sind. Deutsche sind blasierte Bildungsbürger, blöde Besitzstandswahrer oder brutale Machos. Afrikaner sind Opfer, dies- und jenseits der Kolonialzeit. Der Verlag bewirbt den „Schrei der Hyänen“ mit der Zeile „Mittagsglut im Schatten der Kameldornbäume“. Vor dem politischen Kitsch der Grünen stand der literarische Kitsch von Robert Habeck und Andrea Paluch. „Kaum lag der Namibsand hinter ihnen, hatte die Sonne keine Grenzen mehr und verdrängte das Meer aus dem Himmel.“ Wie darf ich mir das vorstellen? Welcher Himmel enthält Meer, welche Sonne färbt den Horizont? Immerhin: Schon 2004 lockte Grenzenlosigkeit. Schon 2004 war der Deutsche böse, die Deutsche sentimental, Deutschland hässlich, der Afrikaner ausgebeutet.

Eine andere Hauptfigur, eine 84-jährige ehemalige Hamburger Senatorin, kann in „Der Schrei der Hyänen“, einfach „nicht verstehen, warum die meisten Menschen den sauren Regen und das Waldsterben hinnahmen.“ Tempi passati. Heute kennt das grüne Schlagwortgewerbe andere Gassenhauer. Sie heißen Klimawandel, Bienensterben, Gender. Geblieben ist die Bereitschaft zur politischen Hysterie, zur moralgestützten Soforterregung wider ein Deutschland, dem die Grünen entstammen. Geblieben ist der Kitsch, der sich als Nachdenklichkeit ausgibt. Geblieben ist schlechte Laune, die als Kompetenzersatz herhalten muss. Geblieben ist Müll in den Augen des Betrachters. Geblieben ist Habeck.