Foto: A. Kissler

Floskeln wie Gitter, zu denen das Sein keinen Zugang hat, Phrasen als Rüstung vor den Zumutungen der Wirklichkeit: Nach diesem Prinzip kommuniziert der deutsche Bundeskanzler selbst im Angesicht des Grauens. Er kann es nicht anders.

Olaf Scholz ging nach Solingen, drei Tage, nachdem dort ein abgelehnter syrischer Asylbewerber drei Menschen zu Tode gestochen hatte. Der Islamist hätte ausreisen müssen, entzog sich aber trickreich den Versuchen der Behörden, seiner habhaft zu werden.

Der Syrer züchtete den Hass auf den Westen in einer Flüchtlingsunterkunft, die ihm die arbeitenden Steuerzahler des Westens finanziert hatten. Er ermordete drei Menschen jenes Volkes, das ihm Obdach gewährte, obwohl er über Bulgarien eingewandert war – von Flucht kann keine Rede sein. Welchen Grund hätte es geben sollen, aus jenen drei oder vier europäischen Ländern zu fliehen, die er durchquerte, ehe er Deutschland erreichte?

Er wollte in ein Land, das für seine hohen Sozialleistungen und seine geringe Ausschaffungsenergie und seine sich selbst fesselnden Gesetze bekannt ist, und stach dann viele Male in den Hals von Stadtfestbesuchern, womöglich aus „Rache für Palästina“.

Und nun, da alldies eben geschehen war, da wieder einmal ein abgelehnter Asylbewerber zum Mörder und eine Stadt zum Tatort geworden war, da kam Olaf Scholz, der Kanzler der blutig gedemütigten Bundesrepublik Deutschland und sagte diesen Satz: „Das ist etwas, das wir niemals hinnehmen werden und das wir niemals akzeptieren werden.“

Worte sollen bezeichnen, was ist. Sie können erklären oder ermahnen, ermuntern oder niederdrücken. Auch Lügen werden aus ihnen gesponnen. Keineswegs aber sind Worte entstanden, um das zu tun, was Olaf Scholz ihnen antut: einen eisernen Vorhang zu ziehen zwischen dem Sprecher und der Welt, die ihn umgibt.

Scholzens Vorliebe für das neutrale Pronomen „das“ ist Ausfluss seiner Unfähigkeit oder Unwilligkeit, sich zur Realität in ein Verhältnis zu setzen. „Das“ ist bei Scholz alles, was nicht der Fall sein kann, „das“ ist alles, was ihn nichts angeht, alles, worüber er in Worten schweigt. Dieser Kanzler redet, als sei ihm die Wirklichkeit egal.

Natürlich weiss jeder und wissen es die Angehörigen der ermordeten Menschen von Solingen erst recht, dass der Terror nach Deutschland gekrochen ist und dass „das“ faktisch hingenommen wird von Scholz und seiner Regierung. Die hilflosen Versuche, in Solingen Handlungsbereitschaft zu simulieren, bekräftigen das Missverhältnis.

Scholz hält es beim Blick auf zugewanderte und weiter zuwandernde Messertäter für „offensichtlich“ notwendig, „dass wir die waffenrechtlichen Regelungen, die wir in Deutschland haben, noch einmal verschärfen.“ Olaf Scholz ist der Feuerwehrmann vor dem brennenden Haus, der auf die Flammen im Dachgiebel schaut, die herunterstürzenden Balken zählt, die steigende Temperatur misst und schwitzend versichert, nun brauche es wirklich ein Feuerzeugverbot.

Die Sprache als Rüstung, ein „das“ als Gitter: Weiter ging es in Solingen mit der Vertreibung von Trauer und Ergriffenheit, indem Scholz sie zusammenleimte, denn „das ist etwas, das uns alle berührt und uns alle betrifft.“ Weniger Betroffenheit lässt sich nicht in Worte fassen. Der Notar nimmt ungerührt die Insolvenz der eigenen Ambitionen in die Bücher. Ich ist ein anderer, sagt Scholz, und ich bin nicht Kanzler, und dieses Land ist nicht Deutschland, da ist nur, allgewaltig thronend, drohend, dröhnend das „Das“, aus dem ein Nichts gemischt ist, das Grau, das jede Farbe verschlingt.

Meister – sofern auf diesen Meistertitel jemand erpicht sein kann – ist Scholz in der Fähigkeit, jeden Hauch von Aktivität in einem diffusen Nichts verschweben zu lassen: „Unser Ziel ist, dass wir gemeinsam mit den Ländern betrachten, wie wir diese Praxis weiter voranbringen können.“ Gemeint ist die in Solingen am deutschen Behördenmikado gescheiterte Regelung, Asylbewerber tatsächlich dort zu belassen oder dorthin zu überstellen, wo sie zuerst den Boden der EU betreten haben.

Scholz hat keineswegs das Ziel einer neuen Handlungsschnelligkeit, sein Ziel ist die Betrachtung. Er hofft, dereinst in der Lage zu sein, die Situation gemeinsam betrachten zu können. Sollte dieses Ziel erreicht sein – was keineswegs sicher ist –, könnte im Rahmen der Betrachtung die Praxis vorangebracht werden. Scholz ist der Schienenwärter, auf dessen Gleis sich ein Hochgeschwindigkeitszug scheppernd nähert, und der, ehe er die Weichen stellt, noch einmal nach Hause geht und hofft, dort das Buch mit den Instruktionen zu finden.

Das alles könnte komisch sein, könnte tragisch sein und taugt weder zum Einen noch zum Anderen. Die Selbstverzwergung regiert, kein Kraut ist gewachsen gegen eine so hartnäckige Wirklichkeitsallergie. Ob die Bundesrepublik einen Kanzler hat? Sie ist mit Scholz geschlagen.