Vielleicht ist am Ende alles eine Frage der Kinderstube. Vielleicht sollte man sie einfach bei der Hand nehmen, ihnen einen sachten Klaps auf den Po geben und sagen: Nein, Richard, das tut man nicht. Peter, reiß dich zusammen. So geht das nicht, Terry, Christopher. Ob es Frucht brächte oder ob die vier Herren dann grimmiger fortführen, dem Pennäler in sich die Sporen zu geben? Das wissen wir natürlich nicht.

Wir wissen aber, dass die Schubumkehr im Ansehen des Papstes durch seine Englandvisite einher ging mit einer Entzauberung des Neuen Atheismus. Verschwunden ist er keineswegs, aber er zeigt sich nun deutlicher als Quengel- und Trotzphase und nicht als intellektuelles Phänomen. Durchaus in die Zukunft weist diese Momentaufnahme.

Wenn der Vater sich mal wieder blicken lässt, maulen Halbstarke gerne. Dann ballen sie ihre Fäustchen und blicken wild nach oben. Nichts als Lügen habe der Herr Vater zu bieten, sie aber wollten frei sein, jung sein, tun, wonach das Sinnchen ihnen steht. Der alte Herr verstehe die Welt nicht, habe sie nie verstanden, er komme mit Geboten und Verboten, das Leben aber sei uferlos und grandios. Wenn sie ganz mutig sind, ziehen sie die Luft durch die Zähnchen und spucken zu Boden. Dann fällt die Tür krachend ins Schloss. Sie haben es ihm mal wieder gezeigt.

Das nämlich hat sich ereignet, als Benedikt XVI. im September England besuchte und John Henry Newman selig sprach, und es deutet weit voraus in andere Zeiten, andere Länder. Richard Dawkins, den man lange Zeit aufgrund seiner evolutionsbiologischen Kenntnisse für einen Intellektuellen halten musste, erklärte in London bei der „Protest the Pope“-Demonstration: Joseph Ratzinger sei ein Feind der Humanität, ein Feind der Kinder, ein Feind der Homosexuellen, ein Feind der Frauen, ein Feind der Armen, ein Feind der Wissenschaft, ein Feind der Bildung. Mehr Atavismus, mehr Glaube an die Existenz diabolischer Kräfte in Persongestalt kam wohl nie aus dem Mund eines sogenannten aufgeklärten Atheisten.

Peter Tatchell, Streiter für gleichgeschlechtliche Lebenspraxen, echauffierte sich, der Papst verdiene keinen Staatsbesuch, weil er „angeklagt“ werde, sexuellen Missbrauch vertuscht zu haben. Terry Sanderson, Chef der „National secular society“, schloss sich Dawkins‘ irrationaler Feindeslitanei an und resümierte, die Tage der Päpste seien vorbei, nur Ratzinger wisse das nicht. Und Christopher Hitchens, schwer erkrankt, wollte Benedikt gar auf britischem Boden verhaften lassen.

England schien sich fast zu schämen für die ausfallende Ephebenmeute. Diese nahm ihr Recht auf Meinung und Versammlung wahr, wogegen kein Brite etwas haben kann. Aber etwas mehr Hirn, etwas weniger Galle hätten Richard, Peter, Terry und die anderen dann doch im Angebot haben können.

Sie hatten es nicht, weil sehr wahrscheinlich der gesamte Neue Atheismus nicht aus Gründen, sondern aus Ressentiments besteht – und eben einer großen Portion Kraftmeierei im falschen Kleid der Fortschrittlichkeit. Tatsächlich handelt es sich oft nur um tiefergelegte Gedanken und rebellisches Gehabe. So kennt man es aus der Zeit, als die Barthärchen frisch sprossen und der dicke Max über den Markplatz stolzierte.

Auch in Kontinentaleuropa empfiehlt sich darum jetzt zweierlei: Das Publikum, das oft staunend den intellektuellen Tricks der Religionskritiker im Professorenrang beiwohnt, sollte schmunzeln, sollte hie und da Manieren einklagen und rein gar nichts für bare Münze nehmen. Es ist ja nur Pose.

Den hauptamtlichen Kritikern und ihren Nachbetern in Politik und Kirche aber wäre ein Erwachsenwerden in aller Stille zu wünschen. Was Fritzchen nicht lernte, muss für Fritz nicht unmöglich sein.

 

Erschien zuerst im Vatican Magazin, Oktober 2010.