Monthly Archives: März 2011

Papst und Hush Puppy

Eigentlich ist die Sache ganz einfach: Ein Brief braucht einen Absender, einen Empfänger und ein gemeinsames Thema. So verhält es sich mit allen Briefen, so verhält es sich mit Hirtenbriefen. Jener, der nun in aller Munde ist, stammt von Papst Benedikt XVI., er ist an „die Katholiken in Irland“ gerichtet und behandelt die dortigen Fälle sexuellen Missbrauchs. Insofern wäre es in höchstem Maße verwunderlich gewesen, hätte der Absender mit den Empfängern über Gott und die Welt gesprochen, vielleicht gar über andere Probleme in anderen Ländern.

Das wäre in etwa so, als schriebe der Vermieter dem Mieter einen Brief, in dem er sich über den beklagenswerten Zustand ganz anderer Objekte auslässt, über die schlechte Zahlungsmoral ganz anderer Mieter oder allgemein über die Krise auf dem Wohnungsmarkt. Einen solchen Brief hielte der Adressat für eine arge, eine peinliche Belästigung – und nicht anders hätten es die Katholiken in Irland empfunden, wenn der Papst ihnen die Schwierigkeiten in Berlin und Ettal auseinandergesetzt hätte.

Eigentlich ist es auch ganz einfach herauszufinden, was momentan kaum jemand herausfinden will: Was macht eigentlich ein Papst, was ist eine Kirche? Der Papst ist nicht der Chef eines weltweit agierenden Sozialunternehmens, nicht der Vorsitzende einer Krisenlinderungs- oder Moralgebungsagentur. Er ist zunächst und vor allem Priester, ein Mann also des Gebets und der Sakramente.

Als solcher hat er die oberste, die leitende und richtende Gewalt in jener Kirche inne, die ein Zeichen sein soll des Heils in einer oftmals heillosen Welt. Insofern kann der Papst weder auf Zuruf aus jenem Land, aus dem er zufällig stammt, Presseerklärungen abgeben, noch kann er sich die Maßstäbe jener Welt zu Eigen machen, die zu wenden und nicht zu verdoppeln er berufen ist. Der Papst ist kein Hush Puppy, und er ist auch kein Politiker.

Der faktenresistente Furor wider den Papst kann demnach nur aus zwei Quellen gespeist sein: aus Ignoranz oder Infamie. Ignorant ist es, den Eindruck zu erwecken, es wäre tatsächlich eine Äußerung möglich, die vollkommen den Bedingungen des zivilreligiösen Diskurses hierzulande und zugleich dem geistlichen Zuschnitt des Papstamtes genüge tut. Der Papst kann und darf nicht reden, wie es die weltliche Ad-hoc-Elite so gerne tut; es wäre ein Missbrauch des ihm treuhänderisch verliehenen Amtes. Sachwalter einer zweitausendjährigen Glaubensgeschichte muss er sein, kein Lautsprecher gegenwärtiger Erregung.

Infam ist es, die päpstliche Rede als Schweigen zu bezeichnen, weil sie nicht den wütenden Wunsch nach maximaler Weltlichkeit befriedigt. Täglich in Ansprache, Predigt, Sakrament spricht dieser Papst. Wer hören will, der möge hören – zum Beispiel auf die am 4. Februar veröffentlichte Fastenbotschaft: „Die Ungerechtigkeit, die aus dem Bösen hervorgeht, hat nicht nur einen äußeren Ursprung; sie gründet im Herzen des Menschen, wo sich die Keime für ein geheimnisvolles Übereinkommen mit dem Bösen finden lassen.“ Weil das Hören solcher Sätze aber immer auch ein Hören tief hinein ins eigene Herz bedeutet, hört man lieber weg und konstruiert ein Schweigen, das es nicht gibt.

So auch beim Brief an die Katholiken in Irland. Benedikt XVI. lässt keinen Zweifel an der unentschuldbaren Schwere der „sündhaften und kriminellen Taten“, die sich ereignet haben und die von ebenso sündhaften Bischöfen vertuscht worden sind. Er kritisiert „die oftmals unangemessene Reaktion der kirchlichen Autoritäten in eurem Land“, er ist beschämt und entsetzt von der „schweren Sünde gegen schutzlose Kinder“. Den kriminellen Priestern stellt er die Rechtfertigung „vor dem allmächtigen Gott und vor den zuständigen Gerichten“ in Aussicht. „Schande und Unehre“ hätten sie auf ihre Mitbrüder gebracht, die „Achtung der Menschen Irlands verspielt“.

Im Kern ist das Schreiben natürlich ein geistliches Dokument. Ein schweres irdisches Versagen wird im Licht des Glaubens, der Adressat und Empfänger eint, gedeutet. Benedikt will den „Weg der Heilung, der Erneuerung und der Wiedergutmachung“ beschreiten. Jede Sünde verlangt, christlich betrachtet, nach tätiger Reue, nach Umkehr und Gebet. Würde der Papst einen anderen Pfad weisen, verabschiedete er sich vom katholischen Christentum. Sollte man damit wirklich rechnen?

Also kritisiert er die Abkehr von den „sakramentalen und andächtigen Gebräuchen, die den Glauben erhalten und ihm erlauben zu wachsen, wie etwa die regelmäßige Beichte, das tägliche Gebet und jährliche Einkehrtage“. Also rät er zum verwandelnden Blick auf das „erlösende Leiden“ Christi, durch das „die Macht des Bösen“ gebrochen werde. Also fordert er alle Priester und Ordensleute auf, „immer mehr Männer und Frauen des Gebets zu werden, die mutig den Weg der Bekehrung, Reinigung und Versöhnung gehen.“ Also ruft er – neben der rücksichtslosen juristischen Aufarbeitung – zur landesweiten Mission auf. Ihren alten Glauben sollen die katholischen Iren durch eucharistische Anbetung und gemeinsame Lektüre neu erfahren.

Hinter all dem steht abermals ein sehr einfacher Gedanke. Wer seinen Glauben wirklich begriffen und erfahren hat, der schützt die Schwachen, der ist wirklich, was der Name bezeichnet: ein Christ. Jeder Missbrauch war ein praktizierter Glaubensabfall. Wo der Glaube ergo wieder wächst, weicht die Versuchung zur Sünde. Diesen Zusammenhang muss kein Nichtchrist teilen – ihn aber nicht zur Kenntnis zu nehmen oder dem Papst die Christlichkeit seiner Rede vorzuwerfen, ist ignorant, ist infam. Weltfremd erscheint Benedikt denen, die ihren Kopf für die ganze Welt halten.

Migrierte Mode

Zu einer offenbar ebenso verkaufsfördernden wie politisch hoch anständigen Maßnahme entschloss sich unlängst das Frauenmagazin „Brigitte“. Man warb auf dem Cover mit „50 Seiten neue Mode, gezeigt von Migrantinnen“. Die Redaktion erklärte im Editorial, Geborgenheit sei „keine Frage der Geografie. Sondern des Gefühls.“ Zum einjährigen Jubiläum der „Initiative ‚Ohne Models‘“ zeige man deshalb Frauen mit „Wurzeln in anderen Ländern, doch sie leben in unserer Mitte. Sie gehören hierher.“

Die 50-seitige Strecke will ein „Plädoyer für mehr Vielfalt“ sein, „in der Mode und im Leben.“ Wer mag da etwas einwenden? Die Migrantinnen springen denn auch lachend in die Luft, feixend, bestens gelaunt, fünf Mal pro Seite. Später dann trägt die pensionierte Sparkassenangestellte Gülüfer, 62, einen Smoking, zeigt Mimmi, 36, „romantische Volants“, während Didem, 19, durch Istanbul tanzt und Vo Thi, 30, ein rosafarbenes Bolerojäckchen vorführt. Der abschließende Text stellt noch einmal klar: „Ist doch gut, wenn von allem was da ist, oder?“

Offenste Türen rennt man damit ein, breite Pfade werden beschritten. Doch das ist es nicht, was dieser selbstzufriedenen Feier des Richtigen einen Hautgout beimischt. Das laut hinaus posaunte Alleinstellungsmerkmal „gezeigt von Migrantinnen“ fixiert diese im Status des Exotischen, Außergewöhnlichen, den das Heft doch überwinden will.

„Migrantinnen“ ist die Umverpackung auf einem besonderen Stück Fleisch, die grelle Schleife über ausländischer Haut, die gerade so als fremder Import erscheint. „Migrantinnen“ ist ein begriffliches Kainsmal. Es sondert aus, richtet ab, reduziert. Man stelle sich vor, man läse stattdessen „Mode, gezeigt von Deutschen“ oder „gezeigt von Farbigen“. Was soll dieser umgedrehte Chauvinismus?

Davon abgesehen, ist Migrant/Migrantin ein Anwärter für das Unwort des Jahres. Migrierende, also (aus-)wandernde Menschen sind die hier gelandeten keineswegs. Sie wollen nicht alsbald sich wieder aufmachen, weiterziehen, fortwandern. Sie sind gekommen, um zu bleiben. Sie sind keine Wanderer, sondern Angekommene, machen nicht Station, sondern verharren. So vollendet sich die gutgemeinte Katastrophe: Migrierter Fleischbeschau der hochtönenden und allzu flach gedachten Art.

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